Wie am Schnürchen

Nein, denke ich schon morgens, als der Wecker klingelt, nein heute leisten wir uns mal nicht den Luxus eines Murphy-Tages, damit wir abends so richtig herzlich über uns selbst und die Tücken der Objekte lachen können.

Nein, ich fange auch gar nicht erst damit an, mich noch einmal rumzudrehen, noch ein paar Minütchen zu ratzen und darauf zu warten, daß ich ganz von allein wieder aufwache, um dann später lachend festzustellen, daß man meist schon einen Grund hat, den Wecker zu stellen.

Nein, heute sollen mal von mir aus keine zusätzlichen Risiken ins Spiel gebracht werden, dann wird es auch keine zusätzlichen Zwischenfälle geben, wenn ich das meinige tu, korrekt und ohne Sperenzchen wird das Schicksal oder wer auch immer das seinige auch korrekt erfüllen.

Alles klar, also los, gewaschen, geputzt, geflochten und geschnatzt, gefrühstückt und wieder aufgesatzt, Kofferpacken brauch ich nicht ist ja bloß ein Tag, Unterlagen brauch ich nicht und wenn, sind sie schon im handlichen Diplomatenköfferchen, paar Medikamente auch, und wenn ich die vergesse: schließlich fahre ich ja ins Krankenhaus, warum habe ich mir das bloß eingebrockt, aber ist ja nur zur Sicherheit und so schlimm wird es auch nicht werden,kleiner Schnitt, Gewebeprobe, kann man ja nur drüber lachen, aber hinfahren muß man schon, muß ja schon was besonderes sein, wenn mich der Arzt meines Vertrauens extra in eine andere Stadt schickt, weil nur die an so einem Projekt arbeiten, Gewebeproben könnte man ja eigentlich auch hier entnehmen, aber die wollen eben ihre eigene Analyse machen und nichts aus der Hand geben, kennt man ja, sonst pfuschen da unbedarfte Unberufene rein und schmücken sich mit Federn, die ihnen nicht gewachsen sind. Also los: Taxi anrufen.

Nein, die Rufsäule am nächsten Taxihalteplatz ist nicht blockiert und ich muß nicht die Zentrale anrufen, um dort in die Warteschleife zu geraten und dann, wenn ich lange genug fernmündlich angestanden habe, am Versuch der Vermittlung teilzuhaben, den nächsten Taxihalteplatz zu erreichen, bei dem ich gerade angerufen habe und wo besetzt war, an dem aber jetzt niemand mehr steht, weil der ja durch den Anruf des anderen weggelockt worden ist, so daß die Vermittlung einen weiter entfernten Halteplatz anwählen muß, von dem aus dann nach zwanzig Minuten jemand angedackelt kommt mit bereits 12 Mark auf dem Taxameter, nein, heute ist diese naheliegende Rufsäule nicht besetzt.

Nein, es sitzt auch kein türkischer Mitbürger am Steuer, der unaufgefordert eine Abkürzung fährt, die zehn Minuten länger dauert als der gewöhnliche Weg dafür aber fünf Mark mehr kostet. Vielmehr sitzt wohl ein türkischer Mitbürger am Steuer, der jedoch fragt, ob er eine Abkürzung fahren soll und ich willige vergnügt ein, denn ich habe Zeit und zahle gern ein paar Mark mehr für ein völkerverbindendes Lächeln unter seinem multikulturellen Schnauzbart.

Nein, die Anzeigetafel in der Bahnhofsvorhalle ist nicht defekt und ich werde nicht aufgefordert, auf die Lautsprecheransagen zu achten, die ohnehin nicht  verständlich wären, wenn es denn welche gäbe. Vielmehr zeigt sie, die Anzeigetafel alles korrekt an, wie es sich gehört und alle von ihr angezeigten Züge fahren korrekt zu den von ihr angekündigten Zeiten ab, ich kann das beurteilen, denn ich bin so zeitig am Bahnhof, daß ich noch einige pünktliche Züge ausfahren sehe, bevor der für mich in Frage kommende einfährt.

Nein, es sitzt niemand auf dem von mir reservierten Platz, es riecht auch nicht erwähnenswert übel in dem Abteil, es ist nicht voller ungezogener Kinder oder biertrinkender Halbaffen. Vielmehr sitzt am Fenster nur ein harmloses Mütterlein mit einer ihrem Alter und Aussehen adäquaten Illustrierten auf dem Schoß und beobachtet mit mäßigem Interesse das nicht eben quirlige Treiben auf dem Bahnsteig.

Nein, ich habe nicht vergessen das Gas abzudrehen, die Jalousien herunterzulassen und den Anrufbeantworter einzuschalten, ich muß auch gar nicht drüber nachdenken, denn ich weiß, alles ging seinen korrekten, sozialistischen Gang. Ich darf das hier so salopp formulieren, denn ich fahre vom Ostbahnof und begebe mich auf eine Fahrt nach Mecklenburg-Vorpommern.

Der Zug fährt pünktlich ab, immer wieder, an jeder Station, an mehreren, er hält sehr oft, aber das ist vorgesehen. Das ist hier keine Rennstrecke und kein Superzug. Hier gibt es keine Geschwindigkeitsanzeige im Großraumabteil, dies ist exakt das nördliche Pendant zur schwäb’schen Eisenbahne, zuverlässig und korrekt, nur dialektisch nicht so penetrant, wenn dieses Bonmot gestattet ist, eine gemütliche aber notwendige Nebenstrecke, uninteressant für anschlagübende Randalierer und pseudopolitische Wirrköpfe, hier werden keine Wurfanker auf die Oberleitungen geschmissen und keine Betonblöcke auf die Schienen…

Unvermittelt hält der Zug, ziemlich ruppig. Nanu denk ich, was soll nun dieses? Nur mich selbst kann ich dies fragen, das harmlose Mütterlein ist ausgestiegen an einer dieser zahlreichen Haltstationen. Hatte sie einen Grund dazu? Natürlich hatte sie einen Grund, sie wollte sicher irgendwo hin und da ist sie ausgestiegen. Aber vielleicht hat sie auch etwas geahnt, vielleicht hat sie das hier kommen sehen. Ja was denn, „das hier“? Nichts ist zu sehen, keine Baustelle, keine geborstenen Brückenpfeiler, keine sich plötzlich auftuenden Krater. Wir stehen. Es geht einfach nicht weiter. Auskünfte gibt es keine. Warum auch. Daß die Lautsprecheranlage im Zug funktioniert, hat die Zugchefin oft genug demonstriert, indem sie jeden fahrplanmäßigen Halt des Zuges korrekt und rechtzeitig ankündigte. Jetzt halten wir fahrplanunmäßig, unfahrplanmäßig, das braucht man offenbar nicht anzukündigen. Unruhe unter den Fahrgästen entsteht nicht, wir halten ja noch nicht lange und außerdem sind zumindest von hier aus keine Fahrgäste zu sehen. Keine Gäste, keine Unruh. So einfach geht das.

Nach etwa zehn Minuten fährt aus der Gegenrichtung ein Zug an uns vorbei. An uns? Wer sind denn wir? Ist ja keiner da, der so ein gemeinschaftliches Personalpronomen rechtfertigen könnte. Egal. Der Gegenzug ist vorbei, und erfahrungsgemäß ist das das Zeichen, daß es gleich weitergeht. Die Erfahrung ist klug: es geht weiter. Wir fahren, ich betone WIR, denn ich will nicht die ganze Verantwortung alleine tragen, egal ob jemand da ist oder nicht, wir fahren über das Gegengleis, daß der Gegenzug gerade passiert und somit freigegeben hat. Es ist auch nicht mehr weit, die Verspätung holen wir, letztmalig benutze ich das heimelige Gemeinschaftsfürwort, denn sogleich werde ich diese abstrakte, wenn nicht gar frei erfundene Gemeinschaft verlassen, holen wir nicht mehr auf, es sind insgesamt dann gerade mal fünfzehn Minuten, ein Viertelstündchen, das kann man gerade noch in einem Wie-am-Schnüchen-Klappen durchgehen lassen.

Nein, es regnet nicht am Zielort, und wenn, dann hätte ich auch diesmal meinen Schirm nicht vergessen, er steht auf meiner Reise-Check-Liste und die habe ich vor Abfahrt durchgelesen.

Auch Taxen sind ausreichend vorhanden.In dem, das ich bestiegen habe tönt es aus dem Autoradio:

„Wie aus unterrichteten Kreisen verlautet, hatten die Züge bis zu fünfzehn Minuten Verspätung.“

Hatten sie? Welche Züge überhaupt. Und weshalb muß man eine fünfzehnminütige Verspätung im Radio erwähnen?

„Haben Sie nischt jemerkt?“ fragt der Taxifahrer.

„Was gemerkt?“ frage ich zurück.

„Na Sie kommen doch aus Berlin!“ behauptet er.

„Ja, schon“, gebe ich zu.

„Und Sie haben nischt jemerkt?“ beharrt er. „Sowat muß man doch merken!“

Warum berlinert der eigentlich so. Hier ist doch MeckPomm, Norddeutschland, Hansestadt. Da hat man nicht zu berlinern sondern zu… sagt man ‘hanseln’? Oder ‘hänseln’? Klingt ja blöde.

Na, ich kann den Mann jetzt nicht mit meinen philologischen Mutmaßungen behelligen, sondern muß schon beim Thema bleiben, obwohl ich das im Grunde gar nicht kenne, geschweige denn mir ausgesucht habe.

„Was soll ich denn gemerkt haben?“ lenke ich ein.

„Na den Anschlach, det Attentat!“ berlinert er.

„Wat für’n Anschlach, wat für’n Attentat?“ kontere ich. Hoffentlich fäßter dit nich falsch uff.

„Na die ham doch die Schien’n abjeschraubt!“ erklärt er mir, der ich es doch eigentlich besser wissen müßte, unbeleidigt, sachlich, informativ.

„Schien’n abjeschraubt?“ baßerstaune ich.

„Ja. Fümmunzwanzich Schraum ham se jelöst und im Schotter jeschmissen.“

Das müßte ich in der Tat bemerkt haben. Aber an mir geht ja immer alles klaglos vorüber, ich habe ja heute meinen „Alles-wie- am-Schnürchen-Tag“, heute soll ja alles nach Plan gehen, korrekt, ohne auch nur eine Andeutung von Murphy. Fünfundzwanzig Schrauben gelöst. Aus weit weniger hat Thomas Mann eine weltberühmte Erzählung gemacht. Und unsereiner wartet zehn Minuten und fährt übers Gegengleis. Dann will ich mit der Sache auch weiter nichts zu tun haben, nichts über die Hintergründe erfahren, keine Motive erforschen, keine Rädelsführer ermitteln.

„Über die Hintergründe und eventuelle Tatmotive ist noch nichts bekannt“, gibt das Radio bekannt. Will ich ja auch gar nicht wissen.

„Also ich habe jedenfalls nicht gemerkt!“ nehme ich bockig den Faden auf.

„Dann kommse auch nicht aus Berlin!“ ist des Taxifahrers unwiderrufliches Fazit.

„Aber Sie, was?“ frage ich höhnisch

„Jetzt nicht direkt, aber im Prinzip schon“, bestätigt er meine dringende Vermutung. „Ick habe damals jedacht, wie det hier losjing: da oben is’n neuer Markt, in Berlin isser übersättigt, versuchstes einfach mal uff deine alten Tage…“ Das hätte jetzt der Anfang einer langen Geschichte sein können, vielleicht auch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, aber wir waren zum Glück schon am Ziel, naja, das Glück liegt doch vielleicht was anderes, zumal ich den Verdacht nicht loswerde, daß das Schnürchen erst einmal ein Ende hat und Murphy dummdreist um die Ecke lugt.

„Nanu, Sie hier, Herr R.?“ begrüßt mich denn auch fragend die Sekretärin, Frau Pastilla. „Sie waren doch für gestern eingeplant!“ „Das fängt ja schon gut an!“ entfährt es mir. „Ich meine: davon ist mir nichts bekannt.“ „Nein? Gucken Sie mal, hier steht es.“ Sie läßt mich in ihr Büchlein schauen. Da steht es. Aber ich habe es dort nicht eingetragen. Doch das sage ich ihr lieber nicht. „Und nun?“ frage ich stattdessen. „Nun ist der Scheff nicht da.“ Das sehe ich. „Erstmal“ fügt sie hinzu. Will sie mich trösten?“Wo ist er denn?“ frage ich schüchtern. In meinem Büchlein war ich ja für heute eingetragen. Ob ich sie auch mal einen Blick riskieren lassen soll?„Das kann man nicht so sagen“, meint sie sanft. „Vielleicht in einer Konferenz…“ „Und wann kommt er? Ich komme ja nun auch nicht…“ Zum Spaß hierher, bin ich versucht zu sagen, biege das ganze aber noch rechtzeitig ab. Ich würde, um das Ganze nicht doch zu guter Letzt noch ins Murphyhafte abgleiten zu lassen, gern die fünfundzwanzig widerrechtlich entfernten Schrauben ins Gespräch bringen. „Kann ich mich vielleicht erstmal irgendwo hinsetzen? Ich bin gerade einem Attentat entronnen!“ Wenn das mal nicht zu dick aufgetragen war! Aber es zeigt Wirkung. „Einem Attentat?“ fragt sie ungläubig und verwirrt. „Ja hören Sie denn keine Nachrichten? Kein Radio?“ Mein Ton streift hart den Rand der ungewollten Aggressivität des ewig Mißverstandenen. „Fünfundzwanzig Schrauben sind mir entfernt worden.“ Das klingt jetzt allerdings wie der Verlaufsbericht eines orthopädischen Eingriffs. „Von der Schiene“, füge ich erläuternd hinzu. Das klingt noch orthopädischer. „Jedenfalls ist der Scheff nicht da!“ versucht sie sich, mein Unglück ignorierend, leichtfertig aus der Affäre zu ziehen. „Sie müssen eben warten. Er kommt bestimmt, wir wissen bloß nicht wann.“ „Der Scheff ist auf ‘ner Konferenz“, quakt eine Schwester. „Sie sind doch der Herr R.“ Ich kann das bestätigen. „Sie waren doch für gestern eingetragen.“ Das kann ich nicht bestätigen.

„Für heute haben wir nur noch was im Vier-Bett-Zimmer frei.“ „Das können Sie mir doch nicht antun!“ wehklage ich. „Herr R. ist nämlich grade einem Attentat entronnen“, äfft die Pastilla mich schamlos nach. „Ach!“ macht die Schwester.“ Das mit den fünfundzwanzig Schrauben?“ „Sehen Sie?“ triumphiere ich die Pastilla an. „Die Schwester weiß bescheid, die kennt sich aus!“ ‘Und du bist doof wie Ostbrot’, füg ich im Geiste noch dazu, doch sag ich es nicht laut.

Man weiß ja nie, wer mithört, hier im Osten. Statt dessen werfe ich mich in Agentenpositur und murmle: „Ich hab sie nicht gezählt, Kleines. Aber es müssen wohl fünfundzwanzig gewesen sein, in meinem Beruf hat man einen Blick für so etwas!“ Die beiden Damen schauen mich verständnislos an. Gibt es in dieser Klinik eine Psychiatrie? Überlege ich hastig. Gerade habe ich gelesen, wie schnell man früher in die eingewiesen wurde in dieser Gegend hier. Also lieber keine Späße mehr.

„War nur ein Spaß“ erkläre ich. Ich hasse es, meine Späße erklären zu müssen. „Sind Sie nicht überhaupt der Komiker?“ fragt die pfiffige Schwester und wird mir immer sympathischer. „Haben wir denn nun ein Bett?“ würgt die dröge Pastilla meine weitschweifige Antwort gnadenlos ab.

„Die Wachstation ist frei“, wirft ein herumstreunender Weißkittel ein. “Waren Sie nicht schon für gestern eingetragen? Jetzt ist der Scheff nicht da. Das weiß ich schon, verrate es ihm aber nicht. Man muß nicht überall sein Wissen herausposaunen. „Das weiß Herr R. bereits“, konterkariert die Pastilla meine wohlüberlegte Zurückhaltung. „Könnte ich unterdessen etwas zu trinken bekommen?“ bitte ich höflich. „Ja Schwester, geben Sie dem Manne was zu trinken!“ übertreibt jetzt die Pastilla. „Er ist gerade…“ „…einem Attentat entronnen!“ vollendet die Schwester prustend den Satz.

„Jetzt geht das auch bei uns schon los!“ empört sich der Weißkittel. “Auf unsrer kleinen Vorortstrecke! Und das müssen Fachleute gewesen sein. Wahrscheinlich ehemalige Bahnangestellte, die sie willkürlich entlassen haben. Zwanzig Schrauben haben die sorgfältig gelöst…“ „Fünfundzwanzig“, korrigieren die Schwester und ich wie aus einem Munde. Welch eine Übereinstimmung, welch eine Seelenverwandtschaft!

„Ich bin Arzt!“ behauptet der Weißkittel. „Mit Schrauben befassen wir Mediziner uns nur in Einzelfällen und auch dann nur ungern. Es kann übrigens spät werden. Der Scheff ist in einer Konferenz.“ Ich finde es ist schon spät. Ich habe kein Zimmer, kriege nichts zu trinken, der Scheff ist nicht da und alle nörgeln an meinem Attentat herum. „Nun setzen Sie sich erstmal hin“, beruhigt mich die Schwester. Na gut, die nörgelt nicht. “Ich bringe Ihnen was zu trinken und dann erzählen Sie mir Ihre Eisenbahngeschichte!“

Ob sie das wirklich interessiert oder ob sie das nur so sagt? Im Grunde gibt es ja gar nichts zu erzählen, das meiste müßte ich mir ausdenken. Ob ich die Täter bewaffnen sollte? Wieviele waren es? Würde ich sie bei einer Gegenüberstellung wiedererkennen? Mein Gott, ist das aufregend, viel aufregender als vorhin im Zug. Wird sie mir alles glauben, was ich ihr erzähle oder werde ich als Aufschneider entlarvt, als windiger Angeber, der sich mit fremden Schrauben schmückt?

Zunächst kommt erst mal alles anders. Die Schwester stellt mir rasch ein Glas hin, verschwindet wieder und es kommt ein aufgeregtes junges Ehepaar mit einem hyperkynetischen minderjährigen Ungeheuer das hemmungslos durch die Wartenische tobt. „Christoph, paß bloß auf, du tust dir noch weh!“ lamentiert der Mann. Christoph tut sich leider nicht weh sondern schmeißt mein Glas um und kreischt dazu.

„Ich hab dir doch gesagt, paß auf!“ schreit jetzt die Frau. Dabei hat es der Mann gesagt. Der wird jetzt angebrüllt: „Er ist ganz naß. Nun tu doch etwas!“ „Was soll ich denn tun?“ jammert der Mann. „Sie könnten mir ein neues Glas Wasser holen“, schlage ich vor. „Na soweit kommt es noch!“ empört sich die Frau. “Von Ihrem Wasser kommt doch die ganze Schweinerei!“ Nein, denke ich, ich hole jetzt kein neues Wasser. Nein, ich warte nicht darauf, daß Christoph meinen Rucksack auspackt und die Mutter ihn dazu ermuntert.

Nein, denke ich, ich warte nicht auf eine selffullfilling prophecy. Ich warte auf den Scheff. Deswegen bin ich hier, eigentlich. Wie schnell man doch das Eigentliche vergißt, wenn man unversehens von einem Attentat gebeutelt wird. Was sind schon ein paar versprengte Tumorzellen gegen fünfundzwanzig mutwillig entfernte Bahnkörperschrauben, von ungerechtfertigt entlassenen Fachleuten achtlos in den Schotter geworfen? Ich gehe auf die Wachstation und lege mich, um ihrem Namen Rechnung zu tragen, ein wenig aufs Ohr. Es war ein schwerer Tag bisher, und dennoch ist nichts passiert. Nichts von dem, was eigentlich passieren sollte. Und dabei klappte anfangs alles wie am Schnürchen. Nichts hat Bestand, alles wechselt alles fließt, wo führt das alles hin.

„Sie waren doch für gestern eingetragen!“ So spricht der Scheff. Der eigentliche Grund für all die Mühsal. Ein kleiner Schnitt, eine Gewebeprobe, zur Sicherheit. Es hat doch alles noch geklappt, fast wie am Schnürchen.